Eine Woche im Wald dank Certas

09.11.2021

An einer Kreuzung nahe Waldrand in Rossinière, einem Bergdorf des Waadtländer Pays-d’Enhaut, werden wir herzlich vom Geschäftsleiter der Stiftung Bildungswerkstatt Bergwald begrüsst, der uns auch gleich das «Du» anbietet. Gut haben wir unsere Wanderschuhe eingepackt, «denn der Aufstieg zur Arbeitsgruppe im Wald wird schmutzig», erwähnt Kaspar beim Abmarsch Richtung Waldhügel. Unser CEO Herr Mock, Sabine Brechbühl und Claudia Masur haben am 29. September die Stiftung bei der Arbeit besucht, deren Projekt mit einer 10. Schulklasse der ETML von Certas mit einer Spende von CHF 25'000 unterstützt wurde.

Ganzheitliche Lehre im Bergwald: Handeln – Erleben – Verstehen

Bergwälder bieten nicht nur einen wichtigen Lebensraum für die Pflanzen- und Tierwelt, sondern sind auch für uns Menschen von wichtiger Bedeutung. Denn sie schützen vor Naturgefahren, regulieren das Klima und sind als Touristenattraktionen wichtige Einnahmequellen der Bergregionen. Während des Aufstiegs zur Arbeitsgruppe werden wir uns der grossen Herausforderung bei der Arbeit im Bergwald bewusst:

«Der Hang erfordert besonders viel Handarbeit», erklärt uns Kaspar, und das mache den Einsatz der Arbeitsgruppen besonders wertvoll. Denn Förster würden heute bevorzugt mit Maschinen arbeiten, deren Einsatz an solchen Hängen zum Teil unmöglich sei.

Unter der Leitung einer Forstfachperson werden während der Projektwochen Wege ausgebessert, Jungwälder gepflegt, Wildschutzzäune errichtet, Bäume gefällt sowie Brücken und Mauern gebaut. Die Jugendlichen lernen, welche vielfältigen handwerkliche Arbeiten im Wald nötig sind. Der direkte Kontakt mit diesem ursprünglichen Lebensraum ermöglicht den Teilnehmenden, sich intensiv mit dem Thema «nachhaltige Entwicklung» und «verantwortungsbewusstes Denken und Handeln» auseinanderzusetzen. «Gleichzeitig werden sie mit herausfordernden Situationen konfrontiert und an ihre persönlichen Grenzen geführt», so Kaspar.

Die Woche biete auch Raum dafür, ökologische und soziale Zusammenhänge zu reflektieren und zu verstehen. Die sinnvollen und authentischen Arbeiten in der Natur würden eine wertvolle Chance bieten, dem kopflastigen Alltag zu entfliehen. «Der Perspektivenwechsel in dieser ungewohnten Umgebung soll zur Inspiration anregen und den Jugendlichen auf ihrem Werdegang helfen», ergänzt Kaspar. Gedanken über die Wirkung, Folgen und Risiken des eigenen Handels sollen angeregt werden und ein Verständnis für den globalen Zusammenhang aufkommen, erklärt der studierte Forstingenieur weiter.

 

Stärker im Team – ganz ohne Worte        

Bei der Gruppe angekommen, sehen wir gerade, wie gearbeitet wird. «So ein Baumstamm kann bis zu 150kg wiegen» sagt Kaspar. Jeremie, ein Teilnehmer bemerkt: «Es ist viel mehr Teamwork erfordert, als ich zuerst gedacht habe». Und schon packt die Gruppe an, ohne eine genaue Aufteilung, jeder scheint – ganz ohne Worte – seinen Platz zu finden, um den Baumstamm von A nach B zu bringen. Jeremie möchte nach dem 10. Schuljahr eine Lehre als Schreiner machen, «später studiere ich Holzingenieur», ergänzt er. Trotz höchsten Sicherheitsmassnahmen kommt es bei dieser körperlich sehr anspruchsvollen Arbeit auch mal zu kleineren Verletzungen. «Ist nur eine kleine Schramme», sagt Julien, der angehende Informatiker, und zeigt uns sein Pflaster am Daumen. Gabriel hat die Woche weniger streng erwartet und erzählt stolz, dass er eigenständig einen Baum gefällt hat. «Die Arbeit am Hang ist sehr anstrengend, macht aber gleichzeitig viel Spass und ich weiss am Abend, was ich den ganzen Tag gemacht habe» schmunzelt er.

Jeden Tag wartet eine andere Aufgabe auf die Gruppe. Die Instruktionen kommen vom Gruppenleiter am Morgen, der tatkräftig mitanpackt. Insgesamt sind in dieser Woche 22 Schüler (in dieser gruppe nur Jungs) an der Arbeit, aufgeteilt in vier Gruppen. Anfangs seien manche Jugendliche ein wenig skeptisch, die Arbeit in der Natur – mit Dreck, Wind und Wetter sei für die meisten eine neue Erfahrung, so Kaspar. Diese Unsicherheit verschwinde aber oftmals nach eins zwei Tagen.

 

Der Wald als Begegnungsort

Am liebsten würden wir gleich selber anpacken, doch unsere Arbeit in Zollikofen und Zürich wartet. Beim Abstieg erklärt uns Kaspar, dass die Stiftung vermehrt auch deutsch und westschweizerische Jugendliche zusammenbringt sowie Projekte mit Flüchtlingen organisiert. Der Wald als Arbeitsplatz diene als ungezwungener Begegnungsort. In dieser Waldprojektwoche wird also nicht nur Nähe zur Natur geschaffen und auf das Thema nachhaltige Entwicklung sensibilisiert, sondern auch einen soziokulturellen Austausch gefördert.